Wenn der Zufall Regie führt

An unser Grundstück grenzt ein Ödland, auf dem die Haselsträucher schon weit über den Sichtschutz hinausragten. Ein Nachbar einigte sich mit mir, die Sträucher zurückzuschneiden, wenn ich die Äste entfernen würde. Gesagt, getan – und so geschah es auch. Im Laufe eines Vormittages wurden die Sträucher ordentlich eingekürzt. Zwischendurch umrundete unser eingezäuntes Grundstück immer wieder die läufige Gebirgsschweißhündin von einem naheliegenden Bauernhof und ich hatte schon Angst, dass sie von einem der herabstürzenden Äste verletzt werden könnte. Doch dann verloren wir sie wieder aus den Augen.

Nach dem Mittagessen wollte ich gerade die Speisereste an meine Hühner verfüttern, als ich Osco langsam den Zaun entlang am Boden schnüffeln sah. Augenblicklich bemerkte ich, dass hier irgendetwas nicht stimmte und mir fiel die Kinnlade nach unten, als ich bemerkte, dass Osco nicht innerhalb, sondern außerhalb des Zaunes stand. Rasch öffnete ich das Gartentor und er kam gelassenen Schrittes herein. Jetzt galt es natürlich, sofort die Ausbruchstelle im Zaun zu entdecken, was jedoch kein großer Auftrag war, denn nur wenige Meter von Osco entfernt hatte ein umgeschnittener Ast den Zaun leicht beschädigt. Sofort reparierte ich die kleine Bruchstelle, wunderte mich, dass Osco diese überhaupt gefunden hatte, denn er war eigentlich kein Ausbüchser, doch dann war die Welt wieder in Ordnung.

Etwas über zwei Monate später, als ich wie gewohnt die Milch vom naheliegenden Bauernhof holte, rief mich die Jungbäuerin ins Haus. Sie führte mich in einen kleinen Raum, wo sich vier Welpen um die Hundemutter drängten! Meine Augen wurden immer größer und größer, denn die Welpen sahen aus wie Eurasier! Wie konnte das sein???

Die Bauernfamilie hegte stets den Verdacht, dass ein freilaufender Münsterländer ihr Mädel gedeckt haben könnte, denn dieser wurde einige Male vom Hof gejagt, während Osco stets an der Leine geführt wurde und nie frei umherlief. Doch die Welpen hatten weder weiße Flecken noch Hängerute, jedoch blaugefleckte Zungen!

Jetzt begann ich zu recherchieren und siehe da, exakt 63 Tage vor dem Wurftermin war jener Tag, an dem ein umgeschnittener Ast unseren Zaun für eine Stunde lang leicht demoliert hatte. Die Hündin dürfte das Loch bei ihrer Umrundung bemerkt haben, in den Hof geschlüpft sein und sich nach dem Liebesabenteuer wieder entfernt haben. Wahrscheinlich schnüffelte Osco nach getaner Arbeit ihrer ganz ruhig nach und gelangte dadurch auf die andere Seite des Zaunes.

Eine Stunde lang hatte der Zaun ein Loch, doch das genügte der Hündin, um unbemerkt zu dem von ihr auserwählten Liebhaber zu gelangen. Ob der Münsterländer wohl zugesehen hat?